Reise­berichte

Ich habe die Milchstraße gesehen mit bloßen Augen

Sandra

Ach Kinners, was soll ich euch sagen. Es ist auch Wochen später und nach Durchsicht aller Fotos immer noch unsagbar schwer, das in Worte zu fassen, was ich in den 14 Tagen in Indien erlebt habe...

Lese hier Sandras vollständigen Reisebericht.

Lothar Wester

Sich etwas zu wünschen oder weg zu wünschen, liegt uns so nah, dass wir nicht vergegenwärtigen, wie permanent dieser Mechanismus abläuft.

Die altvorderen Yogis des Himalaya konnten in ihrer Abgeschiedenheit bewusst dieses Muster fokussieren und hinter sich lassen.

Da haben wir es etwas schwerer. Wir stehen mitten in einer sich beschleunigenden Lebenswelt, parallel dazu beschleunigt sich die Wunschproduktion. Können die Yogis Indiens uns dafür Lösungen bieten, wo sie doch gar nicht wissen können, wie unsere heutigen Probleme aussehen?

Sie selber konnten in ihrer Abgeschiedenheit die ganze Tiefe des Yoga ergründen. Und was sie dort gefunden haben, ist aktueller denn je. Es ist ein praktischer Weg zur Befreiung, den jeder Mensch zu jeder Zeit und in jeder Kultur beschreiten kann.

Nach etlichen Yogareisen durch den Himalaya habe ich erlebt, wie schwierig es ist, die tiefen Erfahrungen, die in der spirituell durchdrungenen Abgeschiedenheit des Himalaya zu finden sind, in den deutschen Alltag mitzunehmen. Gleichwohl hätte ich allein in Deutschland ein oberflächliches Yogabild behalten.

Es ist bestimmt zu empfehlen, in die Yogastudios zu gehen und etwas Yoga zu probieren. Aber wenn es dich ergriffen hat und du weitergehen möchtest, fehlt es bei uns immer noch an geeigneten Lehrern und vor allem „spiritueller Energie“, die dir die Erfahrung von innerem Frieden und Stille vermitteln.

Eine Reise zu den Quellen des Yoga kann dir eine solche Erfahrung schenken. Das innere Hamsterrad, was von Wünschen und Abneigungen angetrieben wird, kommt in Indien gehörig ins Straucheln.

Indien ist das Land der Gegensätze. Es kann dir passieren, dass du an einer Straßenkreuzung ein Mitglied der Aghori-Sekte erblickst, welches in Asche von verbrannten Toten eingecremt dasteht mit einem Totenschädel in der Hand, welcher als Teller dient. Direkt daneben steht ein blendend aussehender Businessman mit Laptop in der Hand. Die beiden stehen mit einer solchen Selbstverständlichkeit nebeneinander, als wären sie Brüder.

Steigst du in einen Bus, beginnt die Übung. Sie heißt Loslassen. Losgelassen wird alles, was du bis dahin an Sicherheitsbedürfnissen für dich beansprucht hast. Wenn du diese nicht loslässt, wird dieses Land dich quälen. Nach einiger Zeit tauchst du ein in den Fluss des Lebens. Dies ist die Vorbereitung. Du brauchst dann nicht mehr viel zu tun, außer da zu sein. Und kannst schließlich beobachten, wie das Rad deines Lebens langsamer läuft, vielleicht so langsam, dass du aussteigen kannst und bemerkst, wie wunschlos glücklich du in dieser Ruhe bist.

Wenn du einmal weißt, worum es geht, wird sich daheim deine Yogapraxis vertiefen. Sie wird zu einer Insel im mitunter rauhen Alltag, die dich immer wieder an das Wesentliche erinnert. Mit der Kraftquelle deiner Yogapraxis werden die Aufgaben, die das Leben dir stellt, leichter fallen. Irgendwann geschieht es dann, dass du deine Aufgaben nicht mehr weg zu wünschen brauchst.

Are you happy?

Der Dalai Lama ist der beliebteste Mensch der Welt. Das liegt wahrscheinlich, unabhängig von seiner Position als Oberhaupt der Tibeter, an seiner Ausstrahlung. Er macht einen glücklichen Eindruck. Und es macht selber glücklicher, bei all den ernsten und oft mies gelaunten Leuten, jemand Glückliches zu sehen. Mir ist so etwas vor einigen Jahren in Indien passiert. Zufällig habe ich Maheshwa Das in der Yogahauptstadt Rishikesh getroffen. Da er kein Englisch sprach und ich kein Hindi, konnten wir uns nur nonverbal verständigen, was der guten Laune keinen Abbruch tat.

Maheshwa Das ist ein Mönch, der sein ganzes Leben auf den Affengott "Hanuman" ausgerichtet hat. Er lebt in konsequenter Askese, was bedeutet, dass er kein Fleisch isst, keinen Alkohol trinkt oder Drogen nimmt, nur das isst, was er selber zubereitet hat und ein zölibatäres Leben führt. Alles was er besitzt, trägt er bei sich.
Da könnte man meinen: "was für ein freudloses Dasein!". Genau das Gegenteil ist der Fall. Er ist der glücklichste Mensch, den ich je gesehen habe. Vergessen hatte ich ihn nie, aber erst einige Jahre später hatte ich die Gelegenheit, ihn in einem abgelegenen Kloster in der Nähe von Bhopal zu besuchen.

In Begleitung eines Dolmetschers, bei über 40 Grad, war schon die Anreise ein Abenteuer. Als wir uns wiedersahen, war alles wie zuvor. Er ist einfach glücklich, was sich auf seine Umgebung überträgt. Als er mir die Frage stellte, ob die Menschen in Deutschland glücklich seien, kam ich in Verlegenheit. Ich musste ihm gestehen, dass Glück ein seltenes Gut in unserem Lande ist.

Maheshwa Das war davon sehr betroffen. Er war der Meinung, dass es den Menschen bei uns doch sehr gut geht. Sie haben doch alles, was es zu einem glücklichen Leben braucht. Wo er schon mit dem wenigen, was er hat, glücklich ist, kann Wohlstand und Sicherheit doch kein Hinderniss für Glück sein! Plausibel erklären konnte ich ihm das Gegenteil nicht.